„Nie aufgeben – irgendwie geht es immer weiter“



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„Nie aufgeben – irgendwie geht es immer weiter“

Hedwig Laura Lotte Lang

mit Amelie Albertine Lang

Wenn ich schreibe, dass meine Lebenswirklichkeit die eines Pozzo di Borgo ist, Autobiograph des Bestsellers: Ziemlich beste Freunde (abgesehen von dessen finanziellem Privileg), dann habe ich schon viel über meine Realität gesagt, aber kaum etwas über mich:

Ich bin Künstlerin im Grafikbereich, erstelle digitale Kunst und bin beruflich gestalterisch tätig. Die Werke, die ich anfertige, sind kraftvoll und ausdrucksstark; so wie ich es bin. Dabei arbeite ich abstrakt und surreal als auch gegenständlich – immer aber schaffe ich außergewöhnliche Perspektiven, die, durch farbliche Akzentuierung, ein ganz anderes Gesicht und eine andere Wirklichkeit zeigen als gewohnt. „Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ – das sagte schon Friedrich von Schiller, deutscher Dichter und Philosoph. Für mich ist die Welt farbenfroh: Glühendes Orange, flirrendes Pink und starkes Sonnengelb sind mir Orte der Träume, der Leichtigkeit, der Unbegrenztheit. Hier wachse ich über mich selbst hinaus, hier kann ich meine Seele einbringen und mein ganzes ich, mich selbst vergessen und doch so intensiv spüren wie sonst niemals. Farben bewegen mich, sie sind wundervoll und wandelbar, die Realität ist anders. Als Kind war ich eine aussichtsreiche Wintersportlerin und schon im Kindergarten eine selbstbewusste Persönlichkeit mit großer, feuerroter Brille und einem eigenen Kopf: Meine drei älteren Brüder fanden zu deren Entsetzen in ihren Schulbüchern und Heften regelmäßig Kunstwerke von mir, welche ich dort heimlich platzierte. Aufgewachsen bin ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, der Ritteralm, umgeben von im Herbst dampfenden Wiesen und einem Wald, den nur der Fluss begrenzte. Im Jahr, in welchem ich in die Schule kam, starb mein Vater. Zwei Jahre später verunglückte ich mit dem Schlitten, als ich mit Cousin und Cousine den Hang hinter unserem Haus herunter rodelte und gerade in diesem Moment ein Auto den Weg kreuzte. Zu der Zeit war ich acht Jahre alt. 2013 feiere ich meinen dreißigsten Geburtstag.

Mein Leben begleitet neben der Kunst ein Assistententeam - mehr als zehn junge Frauen, welche ich als Arbeitgeberin eingestellt, eingearbeitet habe und anleite, damit sie mir täglich ihre Hände und Füße leihen. Kein leichtes Unterfangen, Chefin zu sein ohne Ausbildung im Personalwesen und ohne betriebswirtschaftliches Studium, vor allem, weil ich mich stimmlos verständige. Vollkommen abhängig zu sein von meinem Gegenüber und dabei trotzdem zu fühlen, angewiesen zu sein und gleichzeitig für jeden Atemzug Privatsphäre kämpfen zu müssen – das ist Alltag für mich. Die Wurzel des Leichten liegt im Schweren.

Heute lebe ich in meiner Wohnung, die ich Villa-Kunterbunt nenne, weil sie Galerie für meine Kunst ist, ich habe jeden Ort am Gardasee besucht, bin liebend gerne draußen in der Natur und an frischer Luft unterwegs - ich bin eine Powerfrau und mein Motto ist, dass es immer irgendwie weitergeht, immer. Das Leben hält Bewährungsproben bereit, prüft ungefragt. Ich habe mich dem gestellt, stelle mich immer wieder und versuche mich an den kleinen Dingen zu erfreuen. Buchstabe für Buchstabe habe ich Geschichten aus meinem Leben meiner Assistenz diktiert, zu einem kleinen Büchlein zusammengefasst und mit einigen meiner farbenfrohen Kunstwerke harmonisch in Einklang gebracht, die ich mit Hilfe meiner Kinnsteuerung erstelle. Ab Ende März 2013 wird dieser Band über Mouseart* München und meine Homepage www.hedwig-lang.de erhältlich sein. Damit habe ich erreicht, was ich beruflich angestrebt und was ich mir stets gewünscht habe:
Selbstverwirklichung. Mein Weg ist ein anderer, als ich es mir in meiner glücklichen Kindheit vorgestellt habe – doch bin ich zufrieden mit dem, was ich habe: Ich bewege mich selbständig in meinem elektrischen Rollstuhl fort, arbeite in meinem Traumberuf, verwirkliche mich künstlerisch und literarisch, habe eine Familie, auf die ich mich immer und jederzeit verlassen kann und habe viele Freunde und einen Partner. Es geht immer wieder auf und ab – immer geht es weiter.
Übrigens, der Film „ziemlich beste Freunde“ hat mir nicht besonders gefallen: Er ist mir streckenweise zu sarkastisch und über die zynischen Witze, die sich wiederkehrend auf die Behinderung beziehen, kann ich auch nicht an allen Tagen lachen.

Fragebogen „Wegbeschreibung“

In welchen Schritten haben Sie Ihren Weg zum persönlichen Traumberuf umgesetzt?
Das Kreative in jedwedem Bereich, das Künstlerische, das gehört zu mir, das ist ein so starkes Gefühl, dass ich denke, dass mich das schon immer ausmacht – seit ich denken kann, vielleicht schon seit meiner Geburt. Dem bin ich gefolgt, trotz widrigster Umstände. Anders gesagt: Ich bin ich selbst geblieben, das, was mich ausmacht, ist geblieben, egal durch welche Höhen und Tiefen ich gegangen bin. Dieser Beruf ist schließlich die logische Konsequenz auf meine Persönlichkeit.

Was war in Ihrem Fall der erste Schritt?
Kann man das klar festmachen? Waren es bereits jene kreative Aktivitäten, die mir Lust an Farbe und Gestaltung bereiteten und die ich als Kind schon unbedarft auslebte? Wenn ein klarer Schritt Richtung beruflicher Selbstverwirklichung gemeint ist, dann war dieser vielleicht die Wahl der schulischen Vertiefung im Rahmen des Kunstzweiges der integrativen Realschule, die ich wenige Jahre nach meinem Unfall besuchte - der erste, konkrete Schritt in Richtung meines Traumberufes.

Wie haben Sie angesetzt, um Ihren Traum zu verwirklichen?
Das Handwerkszeug um meinen Traum zu verwirklichen wurde mir diesbezüglich tatsächlich in die Wiege gelegt: Ich bin eine außerordentlich starke, selbstbewusste Persönlichkeit. Ich lasse mir ungerne etwas sagen, gehe lieber den eigenen Weg, auch wenn ich manchmal umkehren muss. Der Wille, eigene Entscheidungen zu treffen ist stärker als die Angst. Trotzdem beschleichen mich immer wieder Ängste, bin ich ängstlich, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, die in meinem Leben oftmals medizinische Aspekte betreffen, manchmal weiß ich dann nicht, was das richtige ist, ob ich den richtigen Weg einschlage. Doch immer muss es mein eigener Weg sein, niemand kann mir sagen, welcher das ist - außer ich selbst. An dieser Stelle kommt mein Lebensmotto zum Tragen: Niemals aufgeben – irgendwie geht’s immer weiter. Zu Fallen heißt für mich: wieder aufzustehen. Auch im Hinblick auf einen Tagesablauf, der zu einem großen Teil aus Pflege und medizinischen Anteilen besteht, der wenig Zeit und Raum lässt zur Selbstverwirklichung – und den ich trotzdem dafür nutze, meinen persönlichen und beruflichen Traum zu leben.